Globale Multi-Stakeholder-Partnerschaften und Initiativen zwischen öffentlichen und privaten Akteuren werden seit Jahren als die Zukunft der internationalen Zusammenarbeit betrachtet. Mit der Verabschiedung der Agenda 2030 und ihrer 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) im September 2015 hat sich dieser Trend beschleunigt. Das vertiefte Engagement der UN mit der Wirtschaft beinhaltet jedoch zahlreiche Risiken. Viele UN-Sonderorganisationen, -Fonds und -Programme haben Prozesse zur Festlegung neuer Regeln für die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft gestartet. Aber ein gemeinsamer und systemischer Ansatz, der zu einem umfassenden Rechtsrahmen für die Beziehungen zwischen der UN und dem Privatsektor führen soll, lässt auf sich warten. Wie ein neues Arbeitspapier von Global Policy Frorum, Brot für die Welt und MISEREOR zeigt, sind die bestehenden Leitlinien stark heterogen und werden nur hinreichend umgesetzt. Deutschland sollte sich daher zügig für einen wirksamen rechtlichen und institutionellen Rahmen bei der UN einsetzen.
September 24, 2019 | GPF et al.
Neues Arbeitspapier: Fehlende Regeln für die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft sind großes Risiko für UN und Agenda 2030
Am Mittwoch, den 25. September 2019 treffen sich Staats- und Regierungschefs bei den Vereinten Nationen in New York, um über den Ausbau von Partnerschaften vor allem mit der Wirtschaft für die Verwirklichung der Agenda 2030 und ihrer 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) zu diskutieren.
Solche Multi-Stakeholder-Partnerschaften und Initiativen zwischen öffentlichen und privaten Akteuren werden von vielen Regierungen, u.a. der deutschen Bundesregierung als die Zukunft der internationalen Zusammenarbeit betrachtet und gehen über den rein nationalstaatlichen Multilateralismus hinaus. Die UN ist schon jetzt in hunderte Partnerschaftsinitiativen mit der Wirtschaft involviert. Dabei fehlen effektive und umfassende Regeln für die Zusammenarbeit, wie die neue Studie „Rules of engagement between the UN and private actors“ von Brot für die Welt, Global Policy Forum und MISEREOR zeigt.
Die bestehenden Leitlinien einzelner UN-Organisationen sind stark heterogen und werden nur hinreichend umgesetzt. Es gibt weder einheitliche Kriterien, die bestimmte Sektoren, die der Gesundheit der Menschen und dem Wohl der Umwelt grundsätzlich entgegenstehen, von der Zusammenarbeit ausschließen. Die bestehenden Prozesse zur Prüfung potentieller Partner gewährleisten nicht, dass nicht doch eine Kooperation mit einem Unternehmen eingegangen wird, dass Menschenrechte und Umweltstandards missachtet, oder Interessenskonflikte bestehen.
Die nicht-regulierte Zusammenarbeit zwischen der UN und der Wirtschaft stellt ein großes Risiko für die UN und eine nachhaltige Entwicklung dar - angefangen von einem Reputationsverlust für die UN, über eine verstärkte Einflussnahme der Wirtschaft auf politische Entscheidungsprozesse, bis hin zur Umlenkung knapper öffentlicher Ressourcen weg von der Verwirklichung von UN-Zielen.
Anstatt immer neue Partnerschaften mit der Wirtschaft zu verlangen, sollten die Regierungen erst einmal deren Qualität sicherstellen. Denn solange der tatsächliche Mehrwert dieser Partnerschaften für die Verwirklichung der SDGs nicht sichergestellt und der rückwärtsgewandten Einflussnahme der Wirtschaft nicht Einhalt geboten wird, wird die sozial-ökologische Transformation nicht gelingen.
Ein bereits 2017 von UN-Generalsekretär António Guterres geforderter "gemeinsamer und systemischer Ansatz" in der Zusammenarbeit mit der Wirtschaft ist überfällig. Deutschland sollte sich dringend für einen wirksamen rechtlichen und institutionellen Rahmen für die Zusammenarbeit der UN mit der Wirtschaft einsetzen. In Form einer Resolution sollten neben wichtigen Grundprinzipien, Mindeststandards, einschließlich detaillierter Auswahl- und Ausschlusskriterien, systematische Folgenabschätzungen und unabhängige Evaluierungen festgelegt werden. Für die Umsetzung dieser Regeln durch die UN-Sekretariate und auf zwischenstaatlicher Ebene bedarf es der notwendigen institutionellen Voraussetzungen. Die Personalkapazitäten sollten gestärkt, eine Ombudsperson für Beschwerden eingesetzt und ein zwischenstaatliches UN-Organ für die Beziehungen zur Wirtschaft eingerichtet werden.
Hintergrund:
Das englischsprachige Arbeitspapier „Rules of engagement between the UN and private actors“ finden Sie hier zum Download (pdf, 713KB).
Am Rande des SDG-Gipfels treffen sich gleichzeitig hunderte Unternehmensvertreter*innen zum SDG Business Forum. Das englischsprachige Arbeitsapier „A fatal attraction?“ zeigt auf, dass das Engagement globaler Wirtschaftsverbände und -Bündnisse für die SDGs und der Unternehmenseinfluss auf den SDG-Diskurs mit Risiken und Nebenwirkungen verbunden sind. Über die fragwürdige Rolle der deutschen Wirtschaft bei der Umsetzung der SDGs berichtet das deutsche Briefing „Nachhaltig nur auf dem Papier?“.
Rules of engagement between the UN and private actors
Towards a regulatory and institutional framework
Autoren: Jens Martens und Karolin Seitz
Veröffentlicht von Bischöfliches Hilfswerk MISEREOR, Brot für die Welt-Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V., Global Policy Forum
Aachen/Berlin/Bonn, September 2019
ISBN 978-3-943126-47-1