Am 16. Oktober begann der dritte Tag der Verhandlungen der UN-Working Group on Business and Human Rightsüber ein „Binding Treaty“. Im Zentrum standen Artikel 6-9 des Entwurfs. Diese seien als verbindliche Haftungsregeln „Herz des Vertrages“. So die Delegierten Brasiliens, Ägyptens und Chinas, sowie der geladene Experte, Prof. Olivier De Schutter. Am dritten Tag der Verhandlungen wurde deutlich, dass der Treaty in Sachen Haftung noch verbesserungswürdig ist. Insbesondere an der Beschränkung auf vertragliche Beziehungen, die Unklarheit, ob zivil- oder strafrechtliche Haftung gemeint ist und der Einfügung einer Notzuständigkeit lässt sich noch arbeiten. Viele dieser Fragen sind auf EU-Ebene bereits im Rahmen der Brüssel- und Rom-Verordnungen geklärt. Umso bedauerlicher ist es, dass die EU während dieses Verhandlungstages weitestgehend auf stumm schaltete. Dies hinderte jedoch Mitgliedsstaaten nicht daran, sich an den Verhandlungen zu beteiligen. Frankreich, Belgien und auch Spanien nahmen teil.
October 16, 2019 | Attac Deutschland
Bericht des 3. Tages über ein UN-Abkommen für Wirtschaft und Menschenrechte
„Technische Vorschriften“ über Haftung, anwendbares Recht und gerichtliche Zuständigkeit als Herz des Treaty
von Paul Meder, Wissenschaftlicher Mitarbeiter der juristische Fakultät Rostock
Am 16. Oktober begann der dritte Tag der Verhandlungen der UN-Working Group on Business and Human Rights über ein „Binding Treaty“. Im Zentrum standen Artikel 6-9 des Entwurfs. Diese seien als verbindliche Haftungsregeln „Herz des Vertrages“. So die Delegierten Brasiliens, Ägyptens und Chinas, sowie der geladene Experte, Prof. Olivier De Schutter.
Vormittag
Am Vormittag stand Art. 6 betreffend die rechtliche Verantwortlichkeit (legal liability) für Menschenrechtsverletzungen auf der Tagesordnung. Geladene Experten waren Dr. Jelena Aparac, Mitglied der UN-Arbeitsgruppe zum Einsatz von Söldnern, Dr. Carlos Lopez, Senior Legal Advisor on Business and Human Rights, International Commission of Jurists und Richard Meeran, Rechtsanwalt bei Leigh Day.
Unterscheidung zivil- von strafrechtlicher Haftung
Wie an den vorangegangenen Tagen gingen den Verhandlungen durch die Mitgliedsstaaten Statements der geladenen Experten voraus. Bereits aus diesen ergab sich ein zentraler Kritikpunkt an den Haftungsregeln des Entwurfs: Diese benennen nämlich nicht, ob sie lediglich für eine zivil- oder auch für eine strafrechtliche Haftung gelten. So die Delegation Frankreichs und Prof. Krajewski (im Rahmen eines Side-Events zu den Verhandlungen).
Andere UN-Konventionen
Heftiger Protest kam von Seiten Irans, Ägyptens, Saudi-Arabiens sowie Afghanistans bezüglich Abs. 7, in dem die rechtliche Verantwortlichkeit schwerster Menschenrechtsverstöße gegen andere, bereits beschlossene UN-Konventionen geregelt ist. Die Staaten kritisierten, dass sie manche dieser Instrumente nicht ratifiziert hätten und daher von ihnen nicht verlangt werden könne diese im Treaty nun implizit „mitzuratifizieren“. Dagegen wandte sich die Expertin Dr. Aparac, die zutreffend feststellte, dass die benannten Konventionen ohnehin bereits zu Völkergewohnheitsrecht avanciert seien und eine Ratifizierung mithin obsolet sei, und so den Einwänden den Wind aus dem Segel nahm.
Vertragliche Beziehungen
Wie ein roter Faden durch den dritten Tag (und auch durch die vorangegangenen Verhandlungen) zog sich die Kritik am Wortlaut des Treaty, der seine Anwendbarkeit in Art. 6 VI auf „vertraglichen Beziehungen“ zwischen Mutter-/Abnehmer und Tocher-/Zulieferunternehmen beschränkt. Dies betrifft nicht nur Art. 6, sondern auch Art. 1 IV, Art. 3 II b) und Art. 5 II und III. Kritik kam von fast allen Experten, sowie den meisten Staaten. Der Wortlaut sei durch „geschäftliche Beziehungen“ zu ersetzen, um Realitäten in globalen Lieferketten gerecht zu werden. Diese Erweiterung ist zu begrüßen.
Gesellschaftsrechtliches Trennungsprinzip
China, das jede Möglichkeit zu nutzen scheint um für eine Einschränkung des Anwendungsbereichs des Treaty zu argumentieren, machte weiter geltend, die vorgeschlagenen Haftungsregelungen verstießen gegen das international anerkannte Prinzip der Trennung zwischen zwei selbstständigen juristischen Personen. Dieses werde durchbrochen, wenn eine Mutter- bzw. Abnehmergesellschaft für das Verhalten ihrer Tochter- bzw. Zulieferergesellschaft haftbar gemacht werde. Dem entgegneten jedoch Dr. Carlos Lopez und Richard Meeran zutreffend, dass die Haftung von anderen Unternehmen keineswegs zugerechnet werde, sondern vielmehr an eigene Handlungen bzw. Unterlassungen des Abnehmer-/Mutterunternehmens angeknüpft werde. Dies entspricht den gängigen deliktsrechtlichen Vorstellungen und ist somit keineswegs eine Besonderheit.
Nachmittag
Am Nachmittag von 15-18 Uhr wurden Art. 7-9 betreffend die zuständigen Gerichte, Verjährungsvorschriften und das anwendbares Recht verhandelt. Als Experten waren erneut Richard Meeran, sowie David Bilchitz, Professor für öffentliches Recht an der Universität Johannesburg und Markus Krajewski, Professor für öffentliches Recht und Völkerrecht an der Universität Erlangen-Nürnberg, geladen.
Gerichtssysteme der Gaststaaten
Richard Meeran wies gleich zu Beginn seines Statements auf die Wichtigkeit des effektiven Rechtsschutzes für Betroffene hin. Dieser sei aufgrund der Tatsache, dass in den Gerichtssystemen der Gaststaaten oft kein faires Verfahren stattfindet, ebendort nicht gewährleistet. Er forderte daher über die bestehenden Regelungen hinaus Maßnahmen, um das Machtungleichgewicht zwischen Unternehmen und Betroffenen auszugleichen. Darunter zählte er unter anderem eine Notzuständigkeit (forum necessitatis), Zugang zu unternehmensinternen Dokumenten, Sammelklagen, Unterstützung bei Gerichtskosten, sowie Schutz für Aktivisten.
Forum necessitatis und forum non conveniens
Unter forum necessitatis wird eine Notzuständigkeit von Gerichten verstanden, die eingreifen soll, sofern Betroffene nirgends auf der Welt sonst Rechtsschutz erlangen können. Mittels forum non conveniens wiederum können Gerichte Klagen abweisen, sofern sie Gerichte eines anderen Staates zur Sachentscheidung für geeigneter halten. Dieses habe laut Meeran in der Vergangenheit großen Schaden für Betroffene angerichtet, denen so Rechtsschutz versagt wurde. In der EU dürfte sich dieses Problem hingegen nicht stellen, da – wie David Bilchitz bemerkt – der EuGH dessen Anwendung untersagt hat. Bemerkenswert ist die weitgehende Einigkeit, mit der die Aufnahme der forum necessitatis Doktrin in den Treaty gefordert wurde: Alle Experten, sowie Mexiko, Palästina, Südafrika und Namibia waren sich diesbezüglich einig.
Extraterritoriale Jurisdiktion und nationale Souveränität
China, die Schweiz sowie internationale Unternehmensverbände betonten hingegen die Wichtigkeit nationaler Souveränität. Würden fremde Staaten über die Geschehnisse in den Gaststaaten urteilen, sei diese nicht mehr gewahrt. Inwiefern hier jedoch mit Treu und Glauben verhandelt wird ist fraglich: Diese Urteile könnten nämlich ohnehin nicht in den Gaststaaten vollstreckt werden, womit ein Verstoß gegen das völkerrechtliche Nichteinmischungsverbot undenkbar ist.
Anwendbares Recht
In Bezug auf Art. 9 stellte Bilchitz einen Vergleich zu Art. 7 Rom II Verordnung an, nach der bei Umweltschäden Geschädigte zwischen dem Recht der Heimat- und Gaststaaten wählen können. Dieser solle auch für Menschenrechtsverletzungen gelten. Ein Vorschlag, der von Mexiko unterstützt wurde. China und Russland behaupteten hingegen, dass ein solches Wahlrecht zu unerträglicher Rechtsunsicherheit führe und Unternehmen so nicht mehr wissen können, nach welchem Recht sie zu handeln haben, worauf Meeran sich für die Anwendung des Rechts der Heimatstaaten von Unternehmen aussprach, da dieses höhere Standards biete.
Fazit
Am dritten Tag der Verhandlungen wurde offenbar, dass der Treaty in Sachen Haftung noch verbesserungswürdig ist. Insbesondere an der Beschränkung auf vertragliche Beziehungen, die Unklarheit, ob zivil- oder strafrechtliche Haftung gemeint ist und der Einfügung einer Notzuständigkeit lässt sich noch arbeiten. Viele dieser Fragen sind auf EU-Ebene bereits im Rahmen der Brüssel- und Rom-Verordnungen geklärt. Umso bedauerlicher ist es, dass die EU während dieses Verhandlungstages weitestgehend auf stumm schaltete. Dies hinderte jedoch Mitgliedsstaaten nicht daran, sich an den Verhandlungen zu beteiligen. Frankreich, Belgien und auch Spanien nahmen teil.