Nach fünf Verhandlungstagen schlossen die Verhandlungen der zwischenstaatlichen Arbeitsgruppe zu einem verbindlichen UN-Abkommen zu Wirtschaft und Menschenrechte am 18. Oktober 2019 mit der Annahme des Verhandlungsberichts und mit Beschlüssen über den weiteren Verlauf des Prozesses. Am Morgen wurden die letzten Artikel (Artikel 14-22) des Abkommensentwurfs diskutiert, die sich insbesondere mit dem Inkrafttreten und der Umsetzung des zukünftigen Abkommens befassen. Da diese Artikel bei der letzten Verhandlungsrunde im Oktober 2018 kaum diskutiert worden waren, wurden hinsichtlich des neuen Abkommensentwurfs („Revised Draft“) kaum Änderungen gegenüber dem vorherigen Entwurf („Zero Draft“) vorgenommen, so der ecuadorianische Vorsitzende der zwischenstaatlichen Arbeitsgruppe.
October 18, 2019 | Global Policy Forum
Abschluss der 5. Verhandlungsrunde über ein UN-Abkommen zu Wirtschaft und Menschenrechten: Ein Tag mit Überraschungen
von Karolin Seitz
Genf, 18. Oktober 2019: Nach fünf Verhandlungstagen schlossen die Verhandlungen der zwischenstaatlichen Arbeitsgruppe zu einem verbindlichen UN-Abkommen zu Wirtschaft und Menschenrechte am 18. Oktober 2019 mit der Annahme des Verhandlungsberichts und mit Beschlüssen über den weiteren Verlauf des Prozesses.
Am Morgen wurden die letzten Artikel (Artikel 14-22) des Abkommensentwurfs diskutiert, die sich insbesondere mit dem Inkrafttreten und der Umsetzung des zukünftigen Abkommens befassen. Da diese Artikel bei der letzten Verhandlungsrunde im Oktober 2018 kaum diskutiert worden waren, wurden hinsichtlich des neuen Abkommensentwurfs („Revised Draft“) kaum Änderungen gegenüber dem vorherigen Entwurf („Zero Draft“) vorgenommen, so der ecuadorianische Vorsitzende der zwischenstaatlichen Arbeitsgruppe. Zur Erläuterung dieser Artikel waren auch keine Experten eingeladen. Nur wenige Staaten hatten bereits konkrete Änderungsvorschläge für die Artikel. Namibia schlug beispielsweise vor, dass Staaten dem UN-Generalsekretär nicht Kopien jedes einzelnen nationalen Gesetzes zur Umsetzung des Abkommens, wie in Artikel 14.2 vorgesehen, sondern eine Zusammenfassung der Dokumente bereitstellen sollten. China argumentierte, es müssten erst die vorherigen Artikel mit den konkreten Inhalten des Abkommens ausgehandelt werden, bevor man die Artikel zur Umsetzung behandele.
Zivilgesellschaftliche Organisationen forderten in ihren Stellungnahmen zu diesen Artikeln u.a., dass die menschenrechtliche Verantwortung Internationaler Finanzinstitutionen (z.B. Internationaler Währungsfonds und Weltbank) wieder in den Abkommensentwurf aufgenommen werden müsse. Sie warnten außerdem vor zunehmendem Einfluss der Wirtschaftslobby und forderten eine konsequente Vermeidung von Interessenskonflikten bei der nationalen Umsetzung des Abkommens. Sehr problematisch seien außerdem Investor-Staat-Schiedsverfahren (ISDS), mit deren Hilfe Unternehmen die Spielräume von Staaten einschränkten, ihre Menschenrechtsverpflichtungen zu erfüllen. Des Weiteren erklärten sie, es sei dringend notwendig, dass sich auch die EU an dem Treaty-Prozess konstruktiv beteilige, schließlich seien allein im Jahr 2018 247 Menschenrechtsverteidiger*innen in Kontexten von Menschenrechtsverletzungen durch Unternehmen getötet worden.
Uneinigkeit über den weiteren Verlauf der Verhandlungen
Die Nachmittagssitzung begann mit informellen (also nicht aufgezeichneten) Konsultationen zwischen den anwesenden Staaten über den weiteren Verlauf des Prozesses.
In einer gemeinsamen mündlichen Stellungnahme hatten am Morgen mehrere zivilgesellschaftliche Organisationen eine stärkere Beteiligung aller Staaten an den Verhandlungen angemahnt. Schließlich würden auch einige der bislang eher zurückhaltenden Staaten die Themen bereits im Rahmen nationaler Debatten und Prozesse zur menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht diskutieren.
Als die informellen Konsultationen begannen gab es die erste Überraschung: Die Europäische Union unterstützte die vorläufigen Vorschläge des ecuadorianischen Vorsitzenden der zwischenstaatlichen Arbeitsgruppe für den weiteren Verhandlungsverlauf. Diese Unterstützung bringt nochmals deutlich das insgesamt wohlgesonnenere Verhalten der EU und ihrer Mitgliedsstaaten gegenüber dem Treaty-Prozess während der letzten Verhandlungstage zum Ausdruck. Schließlich hatte sie sich noch bei der vergangenen Verhandlungsrunde im Oktober 2018 von den Beschlüssen über den weiteren Fortgang distanziert.
Viele Staaten und die EU begrüßten die Verhandlungsführung. Sie sei weniger konfrontativ als in den vergangenen Jahren. Auch die Qualität der Beiträge und der Fortschritt am Text des Abkommens wurde von vielen gelobt. U.a. Brasilien, Ägypten, Namibia forderten, dass die Verhandlungen nun an Intensität und Geschwindigkeit zunehmen sollten.
Die zweite Überraschung trat in Form der Uneinigkeit über den weiteren Verhandlungsverlauf innerhalb der Staatengruppe der G77 auf: Russland und China, die sich in den letzten Tagen sehr kritisch und eher ablehnend gegenüber dem Abkommensentwurf und Prozess an sich zeigten, waren mit den vorgelegten Vorschlägen für den weiteren Verlauf des Treaty-Prozesses nicht einverstanden. Sie erklärten, dass konkrete Verhandlungen an einem Abkommensentwurf verfrüht seien und forderten, ein zusätzliches Dokument mit weiteren Elementen zu diskutieren. Sie forderten außerdem, dass die weiteren Verhandlungen ausschließlich von Staaten, d.h. ohne Beteiligung von Zivilgesellschaft und anderen Akteuren abzuhalten seien. Für diese letzte Position äußerte auch Brasilien Verständnis.
Andere Staaten, wie Ägypten und Kuba widersprachen dieser Forderung vehement und hoben die hilfreiche Expertise und Beteiligung von zivilgesellschaftlichen Organisationen hervor. Auch die EU unterstützte die weitere Beteiligung zivilgesellschaftlicher und anderer relevanter Akteure.
So geht es weiter
Schließlich einigten sich die anwesenden Staaten u.a. auf die folgenden Schritte hinsichtlich des weiteren Verlaufs des Prozesses:
- Die sechste Verhandlungsrunde soll 2020 im bisherigen Format, d. h. auch mit Beteiligung von zivilgesellschaftlichen Organisationen und anderen relevanten Akteuren stattfinden;
- Ein überarbeiteter zweiter Abkommensentwurf soll bis Juni 2020 vom Vorsitzenden der Arbeitsgruppe vorgelegt werden;
- Weitere konkrete Änderungsvorschläge am aktuellen Abkommensentwurf („Revised Draft“) können von allen Akteuren bis zum 30. November 2019 und weitere Vorschläge bis Februar 2020 eingereicht werden;
- Auf Grundlage der bis Ende November 2019 eingereichten Formulierungsvorschläge wird der ecuadorianische Vorsitzende eine Zusammenstellung aller Vorschläge bis Ende Dezember 2019 vorlegen;
- Bis zur sechsten Verhandlungsrunde sollen regionale, nationale und informelle Konsultationen zum Abkommensentwurf stattfinden.
Damit endete die fünfte Verhandlungsrunde erfolgreich. Das kooperativere Verhalten der EU während dieser Woche ist zu begrüßen. Nun muss die EU sich aber endlich auch detailliert zu dem Abkommensentwurf („Revised Draft“) äußern. Wie alle Staaten hat sie die Gelegenheit, ihre Kommentierung und konkreten Formulierungsvorschlägen bis Februar 2020 einzureichen. Damit die EU sich von nun an auch aktiv an dem weiteren Prozess beteiligen kann, müssen die EU-Mitgliedsstaaten der EU nun schnellstens ein Verhandlungsmandat erteilen.
Der offizielle vorläufige Bericht des Vorsitzenden über die 5. Verhandlungsrunde mit den Beschlüssen für den weiteren Verlauf des Prozesses ist hier zu finden.